Dieser Artikel ist von Karin Schweiger und wurde in "Der Trakehner" und auf der Internetseite vom Zuchtbezirk Bayern veröffentlicht
Heide-Prinz und Mirella Vrolijk sind niederländische Vielseitigkeits-Champions

Bayern-Trakehner für Europa

Wenn ein in Bayern gezogener Trakehner aus dem Besitz eines in Deutschland lebenden Belgiers unter dem Sattel einer in Belgien lebenden Niederländerin den Holländern bei ihrer Landesmeisterschaft die Butter vom Brot klaut – dann hat das was mit dem Verbandsmotto „Trakehner weltweit“ zu tun.

 

Heide-Prinz unterwegs mit Mirella Vrolijk


Heide-Prinz' Halbschwester High Life

Heide-Prinz' Halbbruder
High Spirit

Heide-Prinz' Vollbruder
Herr Wichtig

Fotos: Homepage der Reiterin / Teto-Trakehner / Dr. Ewald Pigisch / Beate Langels / privat

Als der belgische Physiotherapeut Carl „Charly“ Vandroemme vor nunmehr elf Jahren auf der Suche nach einer Trakehnerstute für sich war, schaute er auch auf dem Gestüt Alter Thurm in Syrgenstein an der bayerisch-württembergischen Grenze vorbei. Seine Traumstute hatte er sofort gefunden, doch Elisabeth Steiner war geschäftstüchtig genug, ihn noch zum zusätzlichen Kauf eines Fohlens zu überreden. Die, die da vor ihm paradierten, konnten ihm nicht so recht gefallen – aber der kleine, rotzfreche Braune da hinten, den wollte er haben ...

Heide-Prinz’ Vater Intervall xx wurde im weltberühmten Vollblutgestüt Graditz gezogen und bringt das gesuchte Blut des Birkhahn ins Pedigree. Intervall xx hat sich vor allem vom Gestüt Alter Thurm aus einen Namen als Vielseitigkeitsvererber gemacht. So stammen die Bundeschampionatsqualifikantin Wetterhexe (Dr. Annette Wyrwoll) und das internationale Vielseitigkeitspferd Wie Immer (Franz Hörmiller) von diesem Vollblüter. Die Beste Vierjährige der Eintragung Bayern 2006, Ivalojoki, hat eine Intervall xx-Mutter.

Vater Intervall xx

Mutter Heidenröslein

Heide-Prinz’ Mutter Heidenröslein, eine Rossini-Tochter aus der Familie der in Schweden geborenen Heimkehr, die über Grimsel/Carajan mütterlicherseits springbetont gezogen war, kam aus der Zucht von Dr. Walter Huber, Nonnenhorn, in den Stall von Dr. Pigisch nach Kaufbeuren und wechselte später noch ins Gestüt Alter Thurm zu Elisabeth und Bernhard Steiner nach Syrgenstein. Sie ist Mutter der doppelt prämierten, trabgewaltigen High Life v. Starway, die ihre Zuchtstätte bei Landes- und Bundesschau vertrat, erfolgreich SLP-geprüft ist und mittlerweile mit Henna II v. Herzruf bereits eine Nachfolgerin in der Zucht hat. Heidenrösleins Sixtus-Sohn High Spirit hatte zahllose Erfolge in Dressur und Springen bis Klasse L, in Vielseitigkeit bis Klasse A, war auch oberbayerischer Mannschaftsmeister, bevor er 6-jährig wegen des Studiums der Besitzerin verkauft wurde und in der Versenkung verschwand. Der Heide-Prinz-Vollbruder Herr Wichtig war 5-jährig mehrfach platziert in Dressur- und Springpferdeprüfungen der Klasse A, musste dann aber aus dem Sport genommen werden.

Heide-Prinz’ Leben hing als junges Pferd schon am sprichwörtlichen seidenen Faden, als er sich in der Box eine schwere Verletzung am Hinterbein zuzog. Glücklicherweise konnte alles auskuriert werden, und 2002 qualifizierte er sich unter Julia Schmid fürs Bundeschampionat der 6-jährigen Geländepferde. Drei Jahre später tauchte der braune Wallach in den Sieger- und Platziertenlisten so mancher Springprüfung im „Ländle“ unter Holger Sontheimer auf. Aber auch mit diesem Beritt war Charly Vandroemmes „Augapfel“ nicht recht zufrieden. „Er muss sehr fein geritten werden“, sagt Vandroemme, „und das tun nicht viele Reiter.“

Nicht umsonst winkten viele Reiter dankend ab, als Vandroemme seinerzeit den ersten Jockey für das übermütige Energiebündel suchte. Aber eins war sicher – was man von unten sah, war Qualität vom Feinsten. 2006 anlässlich der Aachener Weltreiterspiele fand dann das Dream Team Mirella Vrolijk und Heide-Prinz zusammen. Die 33-jährige Niederländerin, die seit einigen Jahren ihre Zelte in Belgien aufgeschlagen hat, reitet fein genug, um dem Halbblüter gerecht zu werden, kann sich aber durchaus Respekt verschaffen, wenn Heide-Prinz mal wieder den Starken markiert und im Gelände nach eigenen Vorstellungen laufen will.

Mirella lobt seine Ausstrahlung und seinen Arbeitswillen, und seit Anfang der Buschsaison 2007 startet sie Heide-Prinz in Zweisterne-Prüfungen. Im Mai in Bielefeld holten die beiden ihre erste Platzierung, im Juni war es im niederländischen Ede schon ein 2. Platz, im August dann nach dem 7. Platz in der national ausgeschriebenen Prüfung in Nokere/Belgien ein 12. Platz beim großen Event im französischen Martinvast.

In Waregem sah es dann endlich nach dem ersten Sieg aus – und als Heide-Prinz und Mirella Vrolijk nach Dressur und Springen fast uneinholbar in Führung lagen, sorgte Charly Vandroemme schon mal dafür, dass ein gutes Tröpfchen kalt stand. Doch Heide-Prinz ist immer für eine Überraschung gut – im positiven wie im negativen Sinne. Am Wasserhindernis musste Mirella sämtliche Ambitionen begraben, der erste Sieg fiel buchstäblich ins Wasser.

Bei den international ausgeschriebenen niederländischen Meisterschaften in Varsseveld Anfang September sollte das Paar dann aber doch groß herauskommen. In den Niederlanden ist die Meisterschaft als Zweisterne-Prüfung ausgeschrieben, da einfach nicht genügend Reiter in höheren Klassen an den Start gehen. Die Pferde dürfen auch noch nicht in Drei- oder gar Viersterne-Prüfungen gestartet sein. Die Prüfung in Varsseveld litt sehr unter miserablen Wetterbedingungen, fast die Hälfte der Starter gab im Gelände auf. Es siegte der Belgier Stefaan de Smet vor seinem Landsmann Raf Kooremans und der Schwedin Linda Algotsson, die mit Twilight und La Fair die Plätze 3 und 4 belegte und ihren Trakehner Nice Connection zudem noch auf Platz 9 brachte. Als beste Niederländerin und damit Landesmeisterin beendete Mirella Vrolijk die Prüfung auf Platz 5. Es war der zweite Titel in Folge für sie, denn bereits 2006 stand sie ganz oben auf dem Treppchen.

Bisher war Heide-Prinz bei sechs Zweisterne-Starts fünfmal platziert, egal ob lange oder kurze Prüfung. Seine Dreisterne-Qualifikation hat der Wallach in der Tasche – und die Zukunftsplanung läuft klar in diese Richtung. „Vielleicht reicht es ja auch mal für einen Platz in der niederländischen Equipe“, träumt Charly Vandroemme, wohl wissend, dass man da nicht unbedingt Trakehner sehen mag, sondern lieber KWPN-Pferde. „Aber irgendwann können sie nicht mehr an ihm vorbeisehen“, ist er sich von seinem Heide-Prinz sicher ...